In alten Zeiten war eine Verlobung eine nüchterne Angelegenheit. Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein waren in vielen gesellschaftlichen Kreisen eine Verlobung und die folgende Ehe die pragmatische Vereinbarung zur Gründung einer Haus- und Wirtschaftsgemeinschaft. Liebesangelegenheiten spielten eine viel geringere Rolle, als wir uns das heute vorstellen können. Im Vordergrund stand der Wunsch, zwei Familien nutzbringend und rechtsgültig miteinander zu verbinden und - Erben in die Welt zu setzen. Eine Verlobung aufzulösen oder ein Eheversprechen rückgängig zu machen, konnte den Beteiligten unter Umständen großes Ungemach bringen.
Damals wie heute galt die Phase vom gegebenen Eheversprechen bis zur Hochzeit als Verlobungszeit. Diese wurde genutzt, um beispielsweise die Aussteuer für die Braut zu beschaffen oder gar selbst herzustellen, ein Haus zu bauen oder die Ausbildung eines der Partner abzuschließen, kurz, dazu, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für einen gemeinsamen Hausstand zu schaffen. Doch die Verlobung hatte schon immer auch ihre romantische Seite, wenn die Liebe mit im Spiel war: Man versprach sich einander und wartete mit Herzklopfen auf den Tag X der Heirat oder auf die elterliche Erlaubnis dazu. Heimliche, gar verbotene Verlobungen mit tragischem oder komischem Ausgang oder auch einem Happy End lieferten jahrhundertelang unendlich viel Stoff für die Literatur.
Im 21. Jahrhundert gehen Paare Bindungen sehr bewusst ein und müssen sich dabei keinen gesellschaftlichen Konventionen oder wirtschaftlichen Notwendigkeiten mehr beugen. Ein Zusammenleben, eine Beziehung, eine Ehe und eine Verlobung davor sind freie Entschlüsse zwischen gleichwertigen Partnern. Im Gegensatz zu früher, als Menschen aus der Nachbarschaft, dem gleichen Dorf, der gleichen Stadt und mit einem ähnlichen Lebenshintergrund zu heiraten pflegten, lernen sich die Partner heute in der Regel erst als Erwachsene kennen. Eine offizielle Verlobung signalisiert dem Umfeld: Hier sind zwei, sich lieben, die nach vorn blicken und ernsthaft Pläne schmieden. Nach wie vor ist eine Verlobung die Vorlaufzeit vor einer Heirat. Noch viel mehr als früher hat sie den Charakter einer „Probezeit": Hält die Beziehung all den Zukunftserwartungen und dem Schmieden konkreter Pläne stand? Macht es einem der beiden Partner Angst, an ein Versprechen gebunden zu sein? Schaffen es die beiden, wirklich in allen wichtigen Lebensbereichen - Familie, Karriere, Wohnen, Lebensstil, Geldfragen - eine ausreichende Übereinstimmung zu finden, mit der es sich leben lässt?