Menschen kaufen zunehmend umweltbewusster ein – nicht nur bei den Nahrungsmitteln, auch bei der Bekleidung oder bei Reinigungs- und Waschmitteln. Immer mehr Verbraucher fragen: Woher kommen die Rohstoffe und die Ware, und unter welchen Umständen werden sie hergestellt?
Der Trend geht zum "verantwortungsbewußten Einkaufen".
Etwa 40 Prozent aller Fasern, aus denen Bekleidung, Bettwäsche, Matratzen, Hygieneartikel, textile Accessoires und sogar Papierwaren hergestellt werden, bestehen aus Baumwolle. 60 Prozent entfallen auf Kunstfasern, während Wolle, Flachs oder Hanf kaum eine Rolle spielen. Etwa 25 Millionen Tonnen des begehrten Rohstoffes werden pro Jahr weltweit produziert. Bereits seit den 80iger Jahren setzen die Großen in der Textilbranche, wie Nike, Walmart oder C&A, auf die Bio-Baumwolle - denn das schafft ihnen auf dem Markt Wettbewerbsvorteile. Mit gutem Beispiel voran gehen auch der Outdoor- und Sportbekleidungshersteller Patagonia, COOP in der Schweiz oder Otto. Noch ist der Bio-Anteil an der Gesamtproduktion verschwindend gering, wächst aber deutlich an. Und das ist gut so.
Die herkömmliche Baumwollproduktion in großen Monokulturen erfordert reichlich chemischen Kunstdünger und Pestizide, pro T-Shirt werden grob gerechnet etwa 150 Gramm Gift verwendet oder sieben Quadratmeter Boden "verseucht". Bei der Ernte werden noch immer Entlaubungsmittel wie das berüchtigte Roundup eingesetzt, um die maschinelle Ernte zu erleichtern.
Zusammen mit dem enormen Wasserverbrauch der Baumwollstaude ergibt das eine miserable Umweltbilanz. Auf den Absatzmärkten herrscht ein erbarmungsloser Preiskampf. Für Baumwollproduzenten heißt das: Viel Aufwand steht relativ niedrigen Einkünften gegenüber. Es sei denn, man verschafft sich neue Wettbewerbsvorteile.
Wie etwa durch den Anbau von Bio-Baumwolle. Geld oder Kredite für Dünger und Schädlingsbekämpfungsmittel sind unnötig. Weil die Ernte teilweise noch per Hand erfolgt, ist die Qualität wesentlich höher, denn der Rohstoff wird „sauberer“ geliefert und ist entsprechend besser zu verarbeiten. Das steigert den Preis um bis zu 20 Prozent und eröffnet zudem eine Nische für Kleinbauern in der Türkei, in den USA, in Uganda, Tansania, Senegal, Ägypten, Indien und Lateinamerika. Für sie lohnt es sich nun, im Wechsel mit anderen Feldfrüchten auf kleineren Parzellen Baumwolle als „Cash Crop“ nach den Richtlinien des ökologischen Landbaus zu kultivieren. Ihre Familieneinkommen steigern sie dabei um bis zu 40 Prozent. Untersuchungen in Schweizer Bio-Baumwollprojekten ergaben, dass die Produzenten nun zwar jäten müssen, weil Pestizide verboten sind, doch wesentlich mehr als konventionelle Baumwollproduzenten schuften sie deshalb nicht.
Weil im Bio-Landbau genmanipulierte Pflanzen verboten sind, bleiben die Farmer auch beim Ankauf von Saatgut von den großen Agrarkonzernen unabhängig.
Gedüngt wird wie in „alten Zeiten“: Mit Kompost oder Mist, wie sie ohnehin in einer traditionellen, auf Selbstversorgung ausgerichteten Landwirtschaft anfallen. Der Boden speichert so mehr CO², erodiert weniger, und der enorme Wasserbedarf der Baumwolle kann deutlich gesenkt werden.
Zertifizierungsstellen überprüfen die Einhaltung der Anbaurichtlinien einmal pro Jahr vor Ort. Zertifizierungskriterien, Programme und Standards variieren je nach Region. Bis allerdings ein Zertifikat erteilt wird und die höheren Bio-Preise bezahlt werden, muss ein Betrieb drei Jahre lang umgestellt werden. Bio-Baumwolle darf nicht mit konventionell produzierter Baumwolle vermischt werden. Eigene Entkernungs- und Spinnmaschinen oder die Reinigung vorhandener Anlagen sind ebenfalls notwendig, um das Zertifikat zu erhalten. Auch der Zertifizierungsprozess als solcher kostet Geld. Oft schließen sich viele Kleinbauern zu Kooperativen zusammen, um solche Probleme besser zu meistern, um an Berater und Investoren zu gelangen. FairTrade oder die World Fair Trade Organisation und andere Institutionen sorgen unter anderem auch für die notwendigen Vertriebsstrukturen.
Über die Weiterverarbeitung der Bio-Baumwolle allerdings sagt ein Bio-Zertifikat wenig aus: Nur Produktionsstätten, die nachweislich auf gefährliche Chemikalien, wie Farbstoffe, Lösungsmittel oder Schwermetalle verzichten, keine Kinderarbeit dulden und ihre Arbeiter fair behandeln und bezahlen, erhalten auch entsprechende Textilsiegel für ihre fertigen Produkte, wie etwa TransFair-Siegel oder eine Kennzeichnung des Global Organic Textile Standards.
Für zertifizierte Damen- und Herrenbekleidung aus Bio-Baumwolle gibt es verschiedene Anbieter, wie z.B. Hess Natur oder www.witt-weiden.de. Die angebotene "Bio-Mode" unterliegt strengen Richtlinien hinsichtlich Anbau und Verarbeitung der Baumwolle sowie sozialgerechten Produktionsbedingungen vor Ort.
Problematisch in der weltweiten Textilproduktion sind nicht nur die Gewinnung der Rohstoffe und der hohe Ressourceneinsatz. Üblicherweise werden die Rohfasern in einem Erdteil erzeugt, in einem anderen gesponnen, verwebt und in mehreren weiteren Ländern gefärbt und verarbeitet, bis sie in Mitteleuropa als Bekleidung auf den Markt gelangen: Ein weiter und aufwändiger Weg, der nur vordergründig Kapital einspart und Verbraucher zunehmend nachdenklich stimmt.
Eine bessere Umweltbilanz als Baumwolle hätten beispielsweise die genügsamen, robusten Pflanzen Hanf und Flachs, die seit dem 19. Jahrhundert in Mitteleuropa kaum mehr angebaut werden. Vielleicht werden diese Rohstoffe aber die Modegeschichte der Zukunft schreiben.
aktualisiert am 05.03.2014