Als Harnstau in der Schwangerschaft bezeichnet man in der Medizin eine Einengung der Harnleiter, die infolge des Drucks durch die Gebärmutter entsteht. Dabei besteht somit ein Missverhältnis zwischen der Harnproduktion in den Nieren und Harnabfluss bis zur Harnblase. Verschiebt sich dieses Missverhältnis nun weiter zugunsten der Harnabflussbehinderung (Obstruktion), so entsteht eine Harnstauung. Diese Obstruktion der Harnwege sollte in ihrer Dauer und Ausmaß eine gewisse Zeit nicht überschreiten. Trotz ihrer des gehäuften Auftretens von bis zu 90 Prozent mach eine Erweiterung der Harnleiter in der Schwangerschaft nur bei etwa 9 Prozent der Schwangeren Beschwerden und ist damit notfallmäßig therapiebedürftig.
Im Rahmen der Schwangerschaft mach der weibliche Körper eine Reihe von gravierenden Veränderungen durch, die auch einen Einfluss auf die Lage der Organe im Bauchraum nehmen. Es kommt zudem zu einem erhöhten Flüssigkeitsbedarf, der auch eine vermehrte Produktion von Urin in den Nieren zur Folge hat. Dies führt in vielen Fällen zu einer schwangerschaftsbedingten Erweiterung der Harnleiter, die den Urin zur Blase transportieren.
Der Ureter (Harnleiter) kann sich dabei auf das 25-fache seines Ausgangsvolumens ausdehnen, so dass der gesamte obere Harntrakt bis zu 300 ml fasst. Die Gebärmutter drückt jedoch gerade im letzten Schwangerschaftsdrittel auf die von beiden Nieren in die Blase führenden Harnleiter. Drückt die Gebärmutter die Harnleiter sehr stark zusammen, so kann sich der Harn bis in die Nieren zurück stauen. Mögliche Ursachen der Harnstauung während der Schwangerschaft können sein:
Zunächst ist festzuhalten, dass eine leichte Harnstauung bei fast allen schwangeren Frauen zu beobachten ist. Am häufigsten und stärksten ausgeprägt ist sie jedoch bei Erstgebärenden. Die ableitenden Harnwege stellen sich bereits zu Beginn des 2. Schwangerschaftsmonats weit und nehmen mit dem Fortschreiten der Schwangerschaft immer mehr zu. Die Erweiterung ist häufig auf der rechten Seite stärker ausgeprägt als links. Die meisten Frauen nehmen einen leichten Harnstau in der Schwangerschaft in der Regel gar nicht wahr. Eine zunehmende Harnstauung kann unter Umständen jedoch zu gravierenden Komplikationen führen. Diese sind vor allem:
Aus einer fast normalen Harnstauung in der Schwangerschaft kann somit schnell ein akutes Krankheitsbild entstehen, welches eine schnelle und ausreichende Therapie erfordert. Schwangere Patientinnen, die einen höher gradigen Harnstau entwickeln, leiden meist unter krampfartigen Schmerzen in Unterbauch und Rücken sowie Schmerzen beim Wasserlassen. Zudem ist die Menge des ausgeschiedenen Urins meist sehr stark herabgesetzt. Viele Frauen leiden im Falle eines akuten Harnstaus zudem unter Fieber, Übelkeit, Erbrechen und Schüttelfrost.
Bei Verdacht auf einen akuten Harnstau in der Schwangerschaft erfolgt zunächst die Erhebung einer Anamnese (Krankengeschichte). Hierbei geht der Arzt besonders auf den bisherigen Verlauf der Schwangerschaft ein und fahndet gezielt nach gynäkologischen, chirurgischen oder urologischen Vorerkrankungen oder Operationen.
Die Diagnose des Harnstaus in der Schwangerschaft ergibt sich in der Regel anhand der typischen Symptome. Meist wird zudem eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt, die die gestauten Nieren und Harnleiter darstellt. Neben der Ultraschalluntersuchung (Sonographie) ist die Röntgenuntersuchung die zweitwichtigste Untersuchungstechnik zur Abklärung der Beschwerden des oberen Harntraktes. Diese Untersuchungsmethode wird jedoch im Rahmen einer Schwangerschaft nur sehr zurückhaltend eingesetzt, um das ungeborene Kind vor einer Strahlenbelastung zu schützen.
Wenn der Ultraschall keine eindeutige Klärung bringen kann und eine weiterführende Diagnostik erforderlich ist kann zudem eine Computertomographie zu Einsatz kommen. Aufgrund der ionisierenden Strahlung und des größeren apparativen Aufwandes ist diese Methode jedoch nicht Mittel der Wahl. Die Magnetresonanztomographie (MRT) ist hingegen eine sehr genaue Untersuchungsmethode, die jedoch mit einem relativ großen Aufwand verbunden ist. Mit dem MRT-Gerät kann man auch eine ausreichende Differenzierung der Höhe und Art der Obstruktion erreichen. Obwohl es ein aufwendiges Verfahren ist, sind die Ergebnisse in der Schwangerschaft überzeugend.
Auch in der Schwangerschaft kann ein Harnstau jedoch auch durch verschiedene andere Erkrankungen verursacht werden. Dazu zählen:
Falls in der Schwangerschaft Schmerzen oder Krämpfe im Unterbauch auftreten und die Urinmenge trotz normalen Trinkens zurückgeht, sollte in jedem Fall ein Arzt aufgesucht werden. Meist gibt dieser zunächst entkrampfende Medikamente (z.B. Buscopan®), die die Schmerzen lindern und zu einer Entspannung der glatten Muskulatur im Bereich der Harnleiter führen. Wirken diese nicht, kann bei weiter bestehenden Krämpfen auch eine Schiene über die Blase in die Harnleiter gelegt werden, die sie auch gegen den Druck offen hält. Ist eine Schienung nicht möglich und nimmt der Harnstau sehr rasch zu, muss in seltenen Fällen operativ vorgegangen werden. Bei diesem Eingriff ist der Zugang über die Leiste vom Flankenschnitt üblich. Die betreffende Niere wird freigelegt und der Harnabfluss wieder ermöglicht. Ein wichtiger Nachteil dieser Methode ist die Invasivität des Eingriffes.
Der Eingriff muss in Narkose durchgeführt werden und hat dementsprechend auch Auswirkungen auf Mutter und Kind. Bleibt der Harnstau über mehrere Tage bestehen, besteht die Gefahr, dass Bakterien über die Blase und die Harnleiter in die Niere aufsteigen und dort zu einer Nierenbeckenentzündung führen. Die Patientin bemerkt dies oft durch Schmerzen in der Flanke sowie Koliken oder Fieber. In solchen Fällen muss eine schnelle Entlastung des oberen Harntraktes erfolgen, da es sonst innerhalb kurzer Zeit (wenige Stunden bis einige Tage) zu einer Nierenbeckenentzündung mit Übergang in eine Urosepsis (Blutvergiftung) führen kann. In diesem Fall sind besonders viel Flüssigkeit und eine Behandlung mit Antibiotika notwendig. Dies kann unter Umständen auch über die Gabe von Infusionen erfolgen.
Bei der Mehrheit aller Schwangeren kann eine Erweiterung des Nierenbeckenkelchsystems im Verlauf der Schwangerschaft beobachtet werden, sie wird jedoch nur bei wenigen klinisch manifest. Die Harnstauung in Schwangerschaft ist nach spätestens sechs Monaten voll reversibel, wenn die Schwangerschaft dabei die alleinige Ursache der Obstruktion ist und keine weitere Ursache vorliegt. Meist bessern sich die Beschwerden des akuten Harnstaus sofort, wenn der Harn wieder abfließen kann und die Obstruktion behoben ist.
Letzte Aktualisierung am 30.03.2021.