Wie das Land, so die Leute, so der Wein: kein deutscher Wein singt mit kräftigerer Stimme die Hymne seines Terroirs als der Frankenwein. Der Begriff Terroir steht für das Zusammenspiel aller natürlichen Faktoren von Klima, Boden und Rebe. Was urzeitliche Weltmeere einst zurückließen, gibt dem Frankenwein heute seinen unverkennbaren Charakter. Einst war Franken das größte Anbaugebiet des Heiligen Römischen Reiches - zumindest nördlich der Alpen; heute liegt es mit 6 000 ha bestockter Rebfläche auf Platz sechs beim Ranking der deutschen Anbaugebiete, im letzten Jahrhundert waren sogar zeitweise nur 2 000 ha mit Reben bepflanzt. Fränkische Winzer kämpfen mit bitterkalten Wintern und bösen Spätfrösten im zeitigen Frühjahr, weshalb nur geschützte Lagen für den Weinbau genutzt werden.
Kräftig-frisch und trocken schmecken Frankenweine, Fränkisch trockener hat nicht einmal halb so viel Restsüße wie die der übrigen Anbaugebiete. Beachtliche 40 Prozent der Weine werden so vignifiziert, aber auch trockene Weine nach EU-Standard. Dabei vermag das Terroir selbst der Massenrebe Rivaner Charakter zu verleihen, die noch immer Frankens dominierende Rebe ist. Daneben sind Silvaner, Bacchus, Riesling und Kerner typisch fränkische Rebsorten, aber auch der rote Domina. Roter Frankenwein ist relativ selten und deshalb eine kleine Kostbarkeit. Klar, dass so ein markiger Wein auch eine besondere Flasche benutzt: den Bocksbeutel. Seine Form erinnert an den Hodensack eines Ziegenbocks, woher vermutlich auch der Name stammt. In ihn füllen die Franken ab Qualitätswein ihren selbigen ab und würden ihn gerne für sich beanspruchen, aber Badens Ortenau und Portugal benutzten ebenfalls seit Urzeiten Bocksbeutel, also wurde das nichts. Als die EU versuchte, einheitliche Abfüllflaschen für die Mitgliedsstaaten durchzusetzen, war man in Franken brüskiert und erschien höchstpersönlich in Brüssel - im Bocksbeutel-Kostüm. Dort hatte man ein Einsehen und gewährte den drei Regionen per Ausnahme die geliebte Flasche. Eigentlich ist sie ja ganz praktisch: Eine umgestoßene Schlegelflasche rollt am Hang hinunter bis unten, der Bocksbeutel kippt lediglich um.
Niemand weiß, seit wann die Franken in Bocksbeutel abfüllen. Den noch erhaltenen Urkunden zufolge wird 1728 erwähnt, dass die Würzburger Spitäler ihre Topplage Würzburger Stein vor minderwertigen Plagiaten schützten, indem sie ihn in besagte Flasche abfüllten und kurzerhand das Siegel der Stadt Würzburg darauf anbrachten. Vom Erlös der Bocksbeutel ging damals ein Teil ans Spital, das ist auch so geblieben bis heute. Überhaupt scheinen die Franken Siegel und Wappen zu lieben, die Bocksbeutel strotzen zuweilen geradezu damit, und wenn es nur der Fränkische Rechen ist. Schön und gemütlich ist es im Frankenland, die Küche deftig-kräftig. Aber bei all der Gemütlichkeit und den vernichtenden Ergebnissen im letzten Jahrhundert verpasste man leider den Anschluss ans 21. mit greifenden Marketingstrategien. Einzelne versuchen das mehr oder minder erfolgreich nachzuholen, aber der fehlende Schulterschluss verhindert den durchschlagenden Erfolg. Den Verbraucher mag das nicht berühren - solange er Frankenwein als Geheimtipp betrachtet.