Bei einem vorzeitigen Blasensprung kommt es in der Schwangerschaft zum Reißen der Fruchtblase bereits einige Wochen vor dem errechneten Geburtstermin. Bei etwa jeder 10. Schwangerschaft tritt ein vorzeitiger Blasensprung ein. Ein vorzeitiger Blasensprung kann die Schwangere und das ungeborene Kind in hohem Maße gefährden und muss deshalb möglichst schnell behandelt werden.
In den meisten Fällen wird ein vorzeitiger Blasensprung durch eine verminderte Stabilität der Wand der Fruchtblase (Eihaut) oder einen erhöhten Innendruck innerhalb der Fruchtblase ausgelöst. Beiden Faktoren liegt häufig eine vaginale Infektion zugrunde.
Weitere Risikofaktoren für ein vorzeitiges Platzen der Fruchtblase sind:
Im Falle eines vorzeitigen Blasensprunges bemerken die Patientinnen bemerken einen Abgang von Fruchtwasser, der schwallartig oder auch tröpfchenweise erfolgen kann. Die Flüssigkeit kann hell oder milchig-trüb erscheinen und riecht meist etwas süßlich. Häufig kann das Fruchtwasser zunächst nicht von unwillkürlichem Harnabgang unterschieden werden, der vor allem bei weiter fortgeschrittenen Schwangerschaften nicht selten auftreten kann. Nur selten weisen zuvor Beschwerden wie Fieber oder vermehrter Ausfluss auf das bevorstehende Platzen der Fruchtblase hin.
Der vorzeitige Blasensprung ist ein Notfall der Geburtshilfe. Er kann zum einen Wehen auslösen, zum anderen kann es zum Aufsteigen von Keimen aus der Scheide in die Gebärmutter kommen. Dies erhöht das Risiko für eine Früh- und Fehlgeburt des Kindes.
Liegt das ungeborene Kind zudem noch nicht tief genug im Becken, kann die Nabelschnur beim Fruchtwasserabgang zwischen Kind und Gebärmutterausgang geraten. Beginnen dann die Wehen, drückt der auf den Muttermund pressende Kopf die Nabelschnur zusammen und unterbricht damit die Blut- und Sauerstoffversorgung des Kindes (Nabelschnurvorfall). Dies würde einen sofortigen Kaiserschnitt erfordern.
Die einfachste, aber nicht immer sichere Methode, das Aufgehen der Fruchtblase festzustellen, ist die Messung des pH-Werts in der Scheide. Ein erhöhter pH-Wert spricht für das Abfließen basischen Fruchtwassers in die ansonsten saure Scheidenflüssigkeit. So kann das Fruchtwasser sicher von Urin oder Vaginalsekret unterschieden werden.
Weitere Hinweise auf die Fruchtwassermenge liefert der Ultraschall. Weil die Infektionsgefahr nach vorzeitigem Blasensprung sehr hoch ist, kontrolliert der Arzt zudem die Entzündungswerte im Blut der Mutter und entnimmt einen Scheidenabstrich auf Bakterien. Zudem wird in den Regel eine vaginale Untersuchung mit dem Spekulum durchgeführt. So kann der behandelnde Arzt den Fruchtwasserabgang im Gebärmutterkanal sehen.
Nach der Diagnose eines vorzeitigen Blasensprunges wird der Arzt die Patientin zusätzlich auf ein so genanntes Amnioninfektionssyndrom untersuchen. Dies ist eine Erkrankung im Bereich der Eihaut, des Mutterkuchens, der Fruchtblase oder des ungeborenen Kindes selbst, die durch verschiedene Erreger, wie beispielsweise Chlamydien, ausgelöst werden kann.
Ein Amnioninfektionssyndrom kann für Mutter und Kind sehr gefährlich werden, da es zu einer Blutvergiftung (Sepsis) führen kann. Es wird durch die Anfertigung eines Blutbildes diagnostiziert und äußert sich zudem meist durch Unterbauchschmerzen, Fieber und übel riechendem Fruchtwasser.
Wenn die Patientin Beschwerden wahrnimmt, die zu einem vorzeitigen Blasensprung passen könnten, muss sofort ein Arzt konsultiert werden. Die Patientin sollte möglichst nicht mehr herumlaufen, sondern sich hinlegen. Das ärztliche Vorgehen hat zum Ziel, das Ungeborene vor der 35. SSW so lange wie möglich in der Gebärmutter zu belassen. Die Maßnahmen richten sich ganz wesentlich nach dem Schwangerschaftsalter.
Vor der 24. Schwangerschaftswoche ist die Prognose für das ungeborene Kind schlecht. Liegt kein Infekt vor und kommt es nicht zu vorzeitigen Wehen, wartet man ab. Mutter und Kind werden engmaschig überwacht. Wenn möglich sollte die Schwangere in eine Klinik mit einer spezialisierten Abteilung für Frühgeburten (Neonatologie) verlegt werden und strenge Bettruhe einhalten. Alle 24 Stunden sollten Blutkontrollen stattfinden, um sicher zu gehen, dass sich kein Amnioninfektionssyndrom bildet.
In manchen Fällen kann es zudem sinnvoll sein, eine vorbeugende Antibiotikatherapie zu beginnen, um einem Amnioninfektionssyndrom vorzubeugen. Kommt es dennoch zu schwerwiegenden Komplikationen in der Kindesentwicklung, muss die Schwangerschaft unter Umständen abgebrochen werden, da das ungeborene Kind vor dem Ende der 24. Schwangerschaftswoche in der Regel noch nicht lebensfähig ist.
Zwischen der 26. und 32. Schwangerschaftswoche sind Nabelschnurvorfall und die plötzliche Geburt die Hauptrisiken für das Kind.
Deshalb sollte auch hier zunächst abgewartet werden. Mutter und Kind stehen dabei in der Klinik unter ständiger Überwachung. Es wird versucht, eine Infektion zu vermeiden. Bei vorzeitigen Wehen kann eine Behandlung mit Wehenhemmern (Tokolytika) erforderlich sein. Die Schwangere erhält zudem meist Glukokortikoide (Kortison), die die Reifung der Lungen beim ungeborenen Kind fördern sollen. Die Behandlung von Mutter und Kind sollte ebenfalls in einer Klinik mit einer spezialisierten Abteilung für Frühgeburten stattfinden.
Zwischen der 33. und 35. Schwangerschaftswoche versucht man, die Geburt solange zu verzögern, bis die Lungenreife des Kindes abgeschlossen ist. Wenn nötig, werden der Mutter Wehenhemmer verordnet.
Tritt ein Blasensprung nach der 35. Schwangerschaftswoche auf, bekommt die Mutter zur Vorbeugung vor Infektionen Antibiotika. Setzen 12 bis 24 Stunden nach dem erfolgten Blasensprung die Wehen nicht von selbst ein, leitet man die Geburt mit dem Hormon Prostaglandin ein. Falls keine schnelle natürliche Geburt möglich ist oder wenn der Verdacht auf ein Amnioninfektionssyndrom besteht, wird das Kind mittels Kaiserschnitt entbunden.
Die Prognose eines vorzeitigen Blasensprungs hängt sehr stark davon ab, wie weit die Schwangerschaft schon fortgeschritten ist. Je später die Fruchtblase platz, desto besser sind in der Regel die Überlebenschancen für das Kind. In 65 Prozent aller Fälle eines vorzeitigen Blasensprunges muss eine Frühgeburt eingeleitet werden.
Zudem besteht ein erhöhtes Risiko für eine Fehllage des Kindes, das heißt, das Kind liegt nicht in der optimalen Position für eine vaginale Geburt. Weitere Komplikationen, die beim Kind auftreten können sind eine unzureichende Lungenreife und eine ungenügende Sauerstoffversorgung über die Nabelvene.
Letzte Aktualisierung am 26.04.2021.