Wenn es um ihr Reinheitsgebot geht, werden die Deutschen sehr ungemütlich: Da lehnt man sich aus dem Fenster und pocht vorwurfsvoll auf ein Gesetz aus dem Mittelalter. Dieses Gesetz haben sie so recht liebgewonnen, denn der Deutsche hat einen ungeheuren Abscheu vor Gepanschtem. Auch wenn man ihm noch so oft und geduldig erklärt, dass Wein durch Verschnitt unbedingt an Qualität gewinnt: Der Gedanke beunruhigt ihn. Dabei ist das Cuvée oder Verschneiden von Wein die hohe Kunst des Kellermeisters, für die man bedenkenlos ein Paar Euros mehr hinlegen kann, denn schließlich handelt es sich um ein Kunstwerk. Bei einem Cuvée, Verschnitt, Mélange oder Marriage werden verschiedene Rebsorten zu irgendeinem Zeitpunkt vermischt. Das kann bereits bei der Lese geschehen, beim Keltern, beim Gären oder noch später. Ziel ist immer die geschmackliche Optimierung des Weins oder für Sekt auch ein konstantes Geschmacksprofil über Jahre hinweg. Die einzelnen Verschnittanteile krönen dabei einander harmonisch zu einem vollendeten neuen Wein, der immer um Klassen besser als die jeweiligen Ausgangsprodukte schmeckt.
Auch die deutschen Winzer scheinen wie oben beschriebenen beunruhigt, denn Cuvée-Wein ist hierzulande relativ selten. Dennoch gibt es durchaus deutsche Winzer, deren ganze Liebe dem Cuvée gilt. Der badische Rotling, der Württemberger Schillerwein und der sächsische Schieler sind Beispiele für deutsche Cuvée-Weine, die in diesem Fall vor der Gärung verschnitten werden. In Württemberg verschneidet man gerne regionale rote Rebsorten wie Trollinger und Lemberger. Die inzwischen so beliebte Dornfeldertraube wurde ursprünglich fürs Cuvée gezüchtet - also verschneiden deutsche Winzer sehr wohl, verraten es aber nicht. Im Ausland sieht man das Verschneiden wesentlich relaxter und wendet es erfolgreich an: Im Bordeaux werden grundsätzlich drei bis fünf Rebsorten verschnitten, der Châteauneuf-du-Pape beinhaltet sogar 13 Rebsorten, darunter auch Weißwein. Eine Geschichte weiß zu erzählen, dass man damals so stolz auf den gelungenen Verschnitt von ursprünglich neun Weinen war, dass man ihn dem Papst widmete, der damals sein Domizil in Avignon hatte - nette Geschichte. Der heutige Name entstand erst im 19. Jahrhundert, zuvor genoss man ihn als Vin d'Avignon.
Aber auch Italiener und Spanier mischen kräftig mit: Am Chianti sind heute fünf verschiedene Rebsorten beteiligt, am Rioja vier. Aber das weiß der deutsche Weintrinker nicht und kann deshalb diese beliebten Weine reuelos genießen. Wie gut Wein doch schmecken kann, wenn man nicht weiß, dass er verschnitten ist. Und dann gibt es auch noch die Sprachverwirrung mit dem Wort Cuvée: Das Wort entstammt dem Französischen, wo es die Bedeutung Gärbehälterinhalt und auch Jahrgang hat. Die abgefüllten Weine eines Weingutes oder Chamgagnerhauses nennen die Franzosen ebenfalls Cuvée und auch den ersten Most, der bei der Champagnerherstellung aus der Kelter läuft, Cuvée in unserem Sprachgebrauch aber nennt der Franzose assemblage.